Dies ist der erste von drei Artikeln zum Thema Phantastik
Man sollte meinen, dass die Frage nach der Definition der Phantastik einem freien Lektor, der sich auf diesen Bereich spezialisiert, leichtfallen sollte. Doch sucht man im Internet oder spricht mit Kollegen und Kolleginnen aus der Branche, so kommt man zu dem Ergebnis, dass es verschiedene Definitionen gibt.
Bezieht man auch die Meinung vieler Lesender hinzu, wird die Phantastik meist mit Fantasy gleichgesetzt. Ich persönlich möchte für diese Artikelreihe den Begriff „Phantastik“ als Überbegriff nutzen.
Die Phantastik umfasst alles, was von der Realität abweicht und übernatürliche Elemente enthält. Dabei spielt es keine Rolle, wenn die reale Welt als Vorlage genutzt und nur ein übernatürliches Element hinzugefügt wird. Zum Beispiel der Protagonist, der in die Zukunft sehen kann oder die Protagonistin, die Gedanken lesen kann. Eine weitere Möglichkeit ist es, eine eigene Welt, losgelöst von der Realität, zu erschaffen. Dies deckt ebenso die Science-Fiction, den Horror als auch die Fantasy ab.
Und wo hat die Phantastik dann ihren Ursprung? Sehr wahrscheinlich in all den Mythen, Sagen und Märchen, die sich seit Jahrhunderten erzählt werden. Bestimmt wurden auch noch früher Geschichten am Feuer in gemeinsamer Runde erzählt. Vielleicht sind verschiedene Höhlenmalereien mit einer gewissen Fantasie ausgeschmückt worden? Sicher ist, dass der Ursprung lange in der Vergangenheit liegt. Schaut man genauer hin, erkennt man Motive oder Strukturen in der Mythologie der Römer oder Griechen. Auch heute noch werden die Götter- und Heldensagen wiederverwendet. Vor Kurzem feierte der Kinofilm „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ Premiere, der auf dem Buch „Hagen von Tronje“ (Wolfgang Hohlbein) basiert. Dieses wiederum basiert auf der Nibelungensaga. Andere Beispiele sind die König-Arthus-Sage oder die „Ilias“ von Homer.
Sucht man näher in der Vergangenheit nach Veröffentlichungen, die die Phantastik beeinflusst haben, kommt man an Namen wie Mary Shelly (Frankenstein, 1818), Bram Stoker (Dracula, 1897) oder J. R. R. Tolkien (Der kleine Hobbit, 1937) nicht vorbei. Allein anhand dieser Auswahl merkt man schon, dass die Grenzen innerhalb der Phantastik fließend sein können. Während Dracula als ein Mix aus Horror und als Vorreiter beziehungsweise Inspiration der Vampir-Fantasy beschrieben werden kann, kann man Frankenstein sogar der Science-Fiction zuordnen.
In der Horror Literatur sind Namen wie E. T. A. Hoffmann (Sandman, 1816) und H.P. Lovecraft (Cthulhu, 1928) als Vorreiter für nachfolgende Generationen nicht wegzudenken.
In der Science-Fiction, die sich meist mit der Zukunft und einem Blick ins All beschäftigt, sollte man den Namen Hugo Gernsback kennen, der den Begriff „Science-Fiction“ als Genrebegriff 1929 eingeführt hat. Daher auch die Benennung eines der wichtigsten Science-Fiction Literaturpreise: der Hugo-Award.
Natürlich ist dies nur die Spitze des Eisbergs und es gibt noch einige mehr, die die Phantastik in all ihren Facetten beeinflusst haben. Hier soll nur dargelegt werden, wie alt die Phantastik bereits als Genre ist und ein Verständnis geschaffen werden, was die Phantastik alles abdeckt.
Im zweiten Artikel werde ich noch etwas tiefere Einblicke in diese Facetten geben und versuchen, die Genres etwas trennschärfer darzustellen.
Quellen und weiterführende Artikel:
Der Autor
Stephan Berg
Als freier Lektor begleitet Stephan phantastische Autor*innen auf ihrem Weg zur Veröffentlichung. Angefangen von der Ideenfindung, dem Schreibprozess oder der Überarbeitung bietet er individuelle Lösungen an. Mit seinen Kolleginnen spricht er im Podcast “Tintenliebe – wir schreiben Bücher” über den Lektorats-Alltag, Schreibtipps und anderen Schreibenden.